Viele Menschen, darunter vor allem langfristig in abhängigen Beschäftigungsverhältnissen stehende, haben oft völlig falsche Vorstellungen über die Arbeit in der Selbstständigkeit. Ich selbst war das erste Mal noch in meiner Schulzeit als Selbstständiger tätig, in der ich mit einem Freund zusammen eine kleine Computer-Hardware-Firma unterhalten habe. Die Geschäftsidee war damals neben einer Beratung hinsichtlich Computer-Hardware, Computer-Einzelteile günstig einzukaufen, selbst zusammenzuschrauben und gewinnbringend zu verkaufen.
Ich war in der gleichen Zeit auch noch als Angestellter in einer Restaurantkette tätig und ich kann Ihnen versichern, dass die Arbeit als Selbstständiger erheblich erfüllender gewesen ist. Natürlich haben wir viel Zeit mit der Preisrecherche und Kundensuche verbracht. Aber die Rechnung, einen PC in 1 Stunde zusammenzubauen und damit 400 DM zu verdienen, hat mich damals in die Schiene der Selbstständigkeit gebracht…
In unserer Gesellschaft, in der Arbeit als Arbeitnehmer oft mit Sicherheit gleichgesetzt wird (Sicherheit ist eine Illusion), haben Menschen oft Vorstellungen über die Selbstständigkeit, die sich hartnäckig halten. Für mich, der ich seit drei Jahren auf Reisen bin und trotzdem quasi nebenbei meinen Lebensunterhalt verdient habe, sind diese teilweise völlig absurd. Lassen Sie uns im Folgenden einige davon einmal näher unter die Lupe nehmen:
Der Kunde ist König
Viele Menschen haben die Vorstellung, dass man als Selbstständiger den Launen des Kunden völlig ausgesetzt ist. Aber auch hier haben Sie die Möglichkeit, die Zusammenarbeit mit Kunden, die für Sie nicht produktiv sind, zu beenden und diese lieber an die Konkurrenz zu verweisen. Gerade in meiner Tätigkeit als Übersetzer gab und gibt es viele Kunden, die meinen, ich müsste für Sie erst einmal einen kostenlosen Übersetzungstest machen, bevor Sie sich von meinen Qualifikationen überzeugen lassen. Diese Anforderung hat sich jedoch als hervorragender Filter dafür herausgestellt, bei welchen Kunden sich eine Zusammenarbeit lohnt und bei welchen nur mit Stress zu rechnen ist. Kein einziger meiner langfristigen Kunden wollte zu Beginn der Zusammenarbeit eine kostenlose Testübersetzung. Im Gegensatz dazu habe ich gerade zu Beginn meiner Arbeit als Übersetzer viele Übersetzungstests für Agenturen gemacht, die mich anschließend angeblich in irgendeine Datenbank aufgenommen haben und von denen ich bis heute noch nichts wieder gehört habe. Sie entwickeln als Selbstständiger ziemlich schnell ein Gefühl dafür, welche Kunden Sie haben wollen und welche Sie lieber zur Konkurrenz schicken.
Selbstständige müssen viel länger arbeiten als Angestellte
Richtig ist, dass viele Selbstständige sehr lange arbeiten. Oft ist das jedoch der Fall, weil die Motivation eines Selbstständigen erheblich größer ist als die eines Angestellten. Es ist häufig schwer, sich von der Arbeit loszureißen, wenn man glaubt, dass das, woran man arbeitet, schon morgen neue Umsätze schaffen kann. Außerdem ist es bei Selbstständigen so, dass der Arbeitsbereich, in dem sie tätig sind, viel eher zu ihrer Persönlichkeit passt. Sie machen also praktisch eine Arbeit, die Ihnen sowieso Spaß machen würden. Arbeit wird nicht als Pflicht angesehen, sondern zumindest teilweise als erfüllende Tätigkeit.
Zudem ist es so, dass Ihnen als Selbstständiger viel mehr Freiheiten bleiben, Ihr Arbeitsumfeld selbst zu gestalten. Wenn Sie meinen, etwas effizienter auf andere Weise erledigen zu machen, installieren Sie eben das entsprechende System und müssen in Zukunft nicht mehr zehn Stunden in der Woche mit der Eingabe von Daten in ein veraltetes Computersystem verbringen, sondern nur noch eine halbe Stunde damit, dieses zu verwalten. Wenn Sie das versuchen, als Angestellter oder gar im öffentlichen Dienst zu machen, drohen Ihnen zumindest zwei Gefahren: Zum einen wird es häufig nicht gerne gesehen, wenn Sie sich selbst für klüger halten als Ihr Vorgesetzter und Sie können sich auf eine lange Diskussion über eingefahrene Strukturen machen (nach dem Motto: Das haben wir schon immer so gemacht und es hat sich bewährt…). Zum anderen müssen Sie sich überlegen, ob es wirklich so klug ist, Ihre eigene Arbeitszeit weg zu rationalisieren. Denn Sie werden als Angestellter schließlich nach Arbeitszeit bezahlt und nicht nach Produktivität. Wenn Sie kürzer arbeiten, bekommen Sie auch entsprechend weniger Geld.
Als Selbstständiger entscheiden Sie selbst, wie lange Sie arbeiten. Sie haben natürlich die Möglichkeit, sich selbst eine Tätigkeit zu suchen, in der Sie nur bezahlt werden, wenn Sie auch tatsächlich arbeiten. Wenn Sie z. B. als Arzt oder Rechtsanwalt selbstständig sind, bezahlen Sie Ihre Kunden nur dann, wenn Sie auch tatsächlich arbeiten. Es gibt jedoch kein Gesetz, dass Ihnen das vorschreibt. Sie haben alle Freiheiten, sich Systeme einzurichten, die dafür sorgen, dass auch dann Geld in Ihre Kasse fließt, wenn Sie im Urlaub sind, schlafen oder sonst etwas machen. Ist das nicht eine schöne Vorstellung: Ihr Geld im Schlaf zu verdienen?
Die Arbeit als Selbstständiger ist riskanter als die Arbeit als Angestellter
Die Sicherheit, die Sie in Ihrer Erwerbstätigkeit haben, hängt wesentlich davon ab, wer die Kontrolle über das hat, was Sie tun. Als Angestellter ist Ihr Einkommen im Wesentlichen nur von einer Person abhängig, Ihrem Chef. Wenn Ihr Chef entscheidet, dass er Sie nicht mehr benötigt, werden Sie über kurz oder lang Ihre Arbeit verlieren. Ob Ihr Chef Recht mit seiner Einstellung hat oder nicht, ist dabei völlig irrelevant. Ihr Einkommen purzelt ganz schnell von Ihrem Gehalt auf Sozialhilfeniveau. In der Selbstständigkeit dagegen haben Sie selbst die Kontrolle über Ihre Arbeit. Sie können nicht gefeuert oder versetzt werden. Sie müssen sich viel mehr Menschen als nur Ihren Chef zum Feind machen, um Ihnen selbst den Hahn abzudrehen. Wenn ein Kunde Ihre Leistung nicht mehr möchte, na gut, dann soll er zur Konkurrenz gehen und diese mit seinen Kapriolen belästigen. Es ist erheblich beruhigender und meiner Meinung nach mit erheblich mehr Sicherheit verbunden, eine Vielzahl an Kunden zu haben, die Sie bezahlen, als nur von einem einzigen Chef oder Vorgesetzten abhängig zu sein.
Die Arbeit in der Selbstständigkeit ist mit viel Stress verbunden
Nun, während ich diesen Artikel schreibe, sitze ich gerade in einem Cafe in Buenos Aires und überlege mir, wo mich mein Leben als nächstes hinführen könnte… Stressig ist es, von seinem Einkommen als Arbeitnehmer nach Abzug aller Steuern und Sozialabgaben kaum leben zu können und trotzdem nicht die Zeit zu haben, sich Gedanken über eine Alternative zu machen. Selbst bei gleichem Einkommensniveau bin ich der Meinung, dass die Arbeit als Selbstständiger mit erheblich weniger Stress verbunden ist, einfach, weil Sie selbst vielmehr Einfluss und Kontrolle über Ihr Leben haben. Wenn Sie gerade sehr viel Stress in einem anderen Bereich Ihres Lebens haben, haben Sie als Selbstständiger immer die Möglichkeit, eine Arbeit auch einmal nicht anzunehmen und sich mehr Zeit für etwas anderes zu nehmen. Sie haben die Freiheit, Ihre Arbeitszeiten selbst festzulegen oder entsprechend Ihrer Bedürfnisse zu verkürzen oder zu verlängern. Keiner kann Sie dazu zwingen, etwas zu tun, wofür Sie gerade keine Zeit haben oder sich nicht produktiv fühlen. Sie haben die Möglichkeit, sich Ihre Arbeitsumgebung selbst auszusuchen und so einzurichten, wie es für Sie am produktivsten ist. Das Schöne jedoch ist, dass Ihr Einkommen als Selbstständiger normalerweise viel höher ist als das eines Angestellten, einfach, weil Sie Ihre Produktivität im Gegensatz zur Tätigkeit als Angestellter nicht mit vielen anderen teilen und daneben viel mehr Möglichkeiten haben, Ihr Einkommen auch steuerlich günstiger zu gestalten.
Selbstständigkeit ist zu kompliziert und Sie ersticken in Papierkram
OK. Unser Steuersystem und die vielen Regelungen für Selbstständige können zunächst abschreckend wirken. Aber ist das nicht im Wesentlichen nur eine Ausrede für Sie, diesen Weg aus Bequemlichkeit nicht zu gehen? Wenn Sie klein anfangen, ist der bürokratische Aufwand zunächst einmal überschaubar. Sie melden sich beim Finanzamt etwa als Freiberufler an, bekommen eine Steuernummer zugesandt und müssen die Fristen für die Umsatzsteuer- und Einkommenssteuererklärungen sowie die entsprechenden Voranmeldungen einhalten. Das Finanzamt gibt Ihnen heute sogar die Möglichkeit, alle diese Dinge von zu Hause aus elektronisch über das Internet zu erledigen. Ich habe in der ersten Zeit in Südamerika, als ich meinen Wohnsitz noch in Deutschland hatte, alle steuerlichen Angelegenheiten selbst über das Internet oder per Post erledigt. Lassen Sie sich davon nicht abschrecken. Aber vernachlässigen Sie diesen Bereich auch nicht. Wenn Sie von Anfang an eine ordentliche Buchführung über Ihre Kunden führen, ist die Steuererklärung am Ende des Jahres schnell erledigt. Bei mir sind es vielleicht 5 % meiner Arbeit, die ich mit Formalitäten, Rechnungschreiben und sonstigem Papierkram verbringe. Ist das ein Grund dafür, auf die vielen Freiheiten, die sich Ihnen als Selbstständiger bieten, zu verzichten? Zudem werden Ihnen diese Sachen mit der Zeit immer leichter von der Hand gehen. Wenn Sie einmal eine Steuererklärung als Selbstständiger abgeben haben, wird Ihnen die zweite viel leichter fallen. Zudem habe ich die Erfahrung gemacht, dass im Finanzamt auch nur Menschen arbeiten. Wenn man sich persönlich mit seinem Anliegen an seinen Sachbearbeiter wendet, ist mir bisher noch immer Verständnis auch für ausgefallene Situationen entgegen gebracht worden.
Um sich selbstständig zu machen, müssen Sie viel Geld investieren
Das hängt natürlich von der Art des Unternehmens ab, das Sie aufbauen wollen. Ich habe mich bisher immer für Tätigkeiten entschieden, für die ich nicht viel Geld investieren musste. Für meine Übersetzungen z. B. brauchte ich zunächst nicht mehr als einen Laptop, der mir sowieso schon zur Verfügung stand (Anfängliche Investitionskosten = 0). Natürlich kamen mit der Zeit noch Kosten für spezielle Software usw. hinzu. Diese Kosten konnte ich jedoch alle aus laufenden Einnahmen bezahlen, sodass das finanzielle Risiko nahezu bei null lag. Auch für die jetzt laufenden Webprojekte sind die Kosten relativ gering. Die Registrierung einer Domain kostet Sie mittlerweile etwa 12 USD/Jahr und ein ordentlicher Hosting-Anbieter in den USA berechnet Ihnen 8 USD im Monat bei der Möglichkeit, beliebig viele Internetauftritte zu hosten. Sie sollten immer darauf achten, dass Ausgaben auch wirklich gerechtfertigt sind. Wenn Sie sich nicht sicher sind, holen Sie die Meinung dritter ein. Oft ergibt sich die Antwort dann von ganz alleine. Wenn Sie eine Ausgabe nicht vor anderen rechtfertigen können, ist sie wahrscheinlich nicht gerechtfertigt. Seien Sie jedoch auch nicht zu knauserig. Wenn Ihnen das Geld zur Verfügung steht und Ihnen eine Ausgabe viel Arbeitszeit erspart, die Sie produktiver einsetzen können, dann zögern Sie nicht, dieses Geld auch auszugeben. Es ist gut investiert.
Die Arbeit als Selbstständiger ist mit einem eingeschränkten Sozialleben verbunden
Viele Arbeitnehmer halten Ihr soziales Leben für reichhaltig, weil Sie auf der Arbeit viele Kollegen kennen lernen, mit denen Sie dann auch Ihre Freizeit verbringen und über die neuesten Probleme in der Firma diskutieren. Ich selbst bevorzuge auch hier die Freiheit, entscheiden zu können, wann und mit wem ich meine Freizeit verbringe. In der Selbstständigkeit haben Sie diese Freiheiten. Niemand kann Ihnen verbieten, sich kurzfristig einen Nachmittag frei zu nehmen, um sich mit Freunden zu treffen oder sonst einer Freizeitaktivität nachzugehen. Sie können sogar in ein sonnigeres Land ziehen, wenn Ihnen das soziale Umfeld in Ihrem Land nicht mehr gefällt. Ich selbst lebe z. B. seit etwa drei Jahren in Südamerika, wo es mir trotz der anfänglichen Sprachprobleme erheblich leichter gefallen ist, Bekannte zu finden und Freundschaften zu schließen. Das Vehikel Arbeit und Kollegen für Ihr Sozialleben täuscht Sie doch eher darüber hinweg, dass Ihre Probleme ganz woanders liegen, wenn Sie nur wenige Freunde haben sollten.
Auch wenn Sie am Beginn einer neuen Beziehung stehen, gibt Ihnen Ihre Selbstständigkeit die Möglichkeit, viel intensiver in diese einzusteigen – einfach dadurch, dass Sie diesem neuen Lebenspartner zumindest zeitweise viel mehr Zeit widmen können.
Als Selbstständiger müssen Sie alles selbst erledigen
Falsch. Sie sind lediglich dafür verantwortlich, dass alles Notwendige erledigt wird und bekommen auch die Konsequenzen unmittelbar zu spüren, wenn dies nicht der Fall ist. Es wäre jedoch dumm zu meinen, alles alleine erledigen zu müssen. Sie haben vielmehr die Möglichkeit, selbst zu entscheiden, welche Variante für Sie produktiver ist. Ich selbst benötige für meine Webseiten z. B. oft Übersetzungen ins Englische und ins Spanische. Es wäre unklug von mir, diese Übersetzungen alle selbst machen zu wollen. Auch wenn mein Englisch und Spanisch nicht schlecht sind, kann diese Arbeit von Muttersprachlern doch viel schneller, effizienter und fehlerfreier gemacht werden. Die Selbstständigkeit gibt Ihnen die Freiheit, sich den effizientesten Weg auszusuchen. Für mich ist es in diesem Fall wesentlich günstiger, einen muttersprachlichen Übersetzer zu engagieren und selbst eine Übersetzung ins Deutsche zu machen (Gesamtkosten +/- 0), als den viel langsameren und mühseligeren Weg zu gehen, diese Arbeit selbst machen zu wollen.
Geben Sie Ihrer Zukunft eine Chance
Fangen Sie klein an, mit einem Projekt, das Sie eventuell neben Ihrer regelmäßigen Arbeit als Angestellter machen können. Auf diese Weise ist das Risiko, das Sie eingehen, nahezu null. Ich habe schon viele Selbstständige getroffen, deren Geschäftsmodell vielleicht nicht so gut gelaufen ist. Trotzdem war darunter kein einziger, der den Schritt in die Selbstständigkeit bereut hat.